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Wie Du Virtual Reality in der Videotherapie einsetzen kannst

Aktualisiert: 30. Sept. 2021

In Zeiten der aktuellen Kontaktbeschränkungen werden wir oft gefragt: Lässt sich Virtual Reality auch im Rahmen von Videotherapie, also über Distanz einsetzen? Ja, das ist möglich: Julia Rautenberg ist Psychologische Psychotherapeutin und selbst Risikopatientin. Sie bietet im Moment ausschließlich Videotherapie an und setzt Virtual Reality sehr erfolgreich ein. Hier berichtet sie, wie sie dabei vorgeht.

In meiner Arbeit mit Psychotherapeut:innen und psychologischen Coaches mache ich immer wieder die Erfahrung: am meisten Erfolg – und auch Spaß! – haben diejenigen, die sich die Virtual Reality-Brille zu eigen machen, die sie in ihre Art zu arbeiten integrieren. Denn: Virtual Reality macht selbst keine Therapie, aber sie kann Dich wirkungsvoll dabei unterstützen.

Julia Rautenberg ist als Psychologische Psychotherapeutin in Mainz niedergelassen. “Ich habe schon immer gerne mit Angstpatienten gearbeitet und gerne Konfrontationen gemacht”, berichtet sie mir, als wir uns für eine Austausch per Video-Call verabredet haben. “Diese Erfolgserlebnisse miteinander zu teilen ist etwas ganz besonderes.” Dem Leuchten in ihren Augen sehe ich in diesem Moment an, wie leidenschaftlich und gewissenhaft sie sich ihren Patienten widmet und wichtig es ihr ist, ihnen zu mehr persönlicher Freiheit zu verhelfen. In der Praxis sind Konfrontationen aber nicht immer ganz einfach umzusetzen: manche Situationen sind schwer herzustellen, wie zum Beispiel bei Flugangst oder Autofahren. Julia sagt: “Das wird schnell teuer und aufwändig zu koordinieren, wenn zum Beispiel ein Fahrlehrer dazu kommen muss.” Bei sozialen Ängsten zieht sie oft Kollegen hinzu, die das Publikum oder einen Gesprächspartner mimen. Da gerate man schon mal an Grenzen, weil für realistische Situationen ja auch nicht immer dieselben Kollegen “hinhalten” können, lacht Julia.

“Gute Vorbereitung ist entscheidend, dass VR-gestützte Expositionen über Videotherapie gut gelingen”

“In der Mailingliste der DGVT (Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie) las ich über Virtual Reality als Alternative für Expositionen”, erzählt sie weiter. “Dadurch bin ich dann auf Euch gestoßen und habe gelesen, dass Ihr nicht nur die Virtual Reality-Mediathek anbietet, sondern auch begleitende Kurse dazu – das fand ich spannend!” Unser Kursangebot bietet interessierten Therapeut:innen und Coaches die Möglichkeit, Schritt für Schritt in das Thema einzusteigen und vor allem Virtual Reality auch selbst auszuprobieren. Bei allen Fragen (wie zum Beispiel “Wie finde ich die richtige VR-Brille?”) bekommen die Teilnehmer jederzeit Antworten und Unterstützung. Julia nahm also an unserem Virtual Reality-Kurs teil und hat auch direkt losgelegt und Virtual Reality selbst ausprobiert. “Ich gehöre selbst zur Risikogruppe und mache seit Beginn der Corona-Pandemie ausschließlich Videotherapie”, berichtet Julia. Deshalb war für sie besonders interessant, wie sie die VR-Brille im Rahmen der Videotherapie einsetzen kann. Wir stellen Therapeut:innen nach individueller Abstimmung die gewünschten VR-Videos über einen passwortgeschützten Link zur Verfügung, den sie dann an ihre Patienten weiter geben können. Dadurch kontrolliert der/die Therapeut:in, welche Stimuli ihre Patienten nutzen. Patienten gewähren wir selbst keinen Zugang zur Mediathek. Virtual Reality ist ein sehr effektives Instrument. Deshalb ist es uns wichtig, dass Du als Therapeut:in einschätzt, welche Reize in welcher Intensität für Deinen Patienten zum aktuellen Zeitpunkt angemessen und zielführend sind.

Julia erzählt: “Ich mache mit meinen Patienten im Rahmen der Videotherapie mit der VR-Brille Achtsamkeitsübungen und auch Konfrontationen. Bei Patienten mit sozialen Ängste habe ich zum Beispiel mit den virtuellen Bewerbungsgesprächen und Prüfungssituationen gearbeitet.” Ihre Patienten hatten sich Fragen überlegt, die typischerweise in der Prüfung oder im Bewerbungsgespräch kommen könnten. Zum ablaufenden -VR-Video – in dem kaum gesprochen wird, da im Video ja keine echte Interaktion möglich ist – stelle Julia dann diese Fragen. “Obwohl der Prüfer in dem VR-Video männlich war, hat es super funktioniert”, berichtet Julia. “Die Patienten erlebten echte Angst, die dann nach einer Weile auch deutlich nachließ – es fand also Habituation statt”, sagt sie. Während Julia in ihrer Praxis arbeitet ist der Patient zuhause über Video mit ihr verbunden. Die Patienten benötigen ein Smartphone, auf das sie die VR-Videos über eine WLAN-Verbindung streamen und eine passende VR-Brille, in die das Handy eingelegt wird. Entsprechende Anleitungen für die Patienten stellen wir zur Verfügung. Julia wählt Patienten für die Arbeit mit der VR-Brille im Rahmen von Videotherapie sehr genau aus und sagt: “Der Einsatz der VR-Brille muss angemessen und sinnvoll im Sinn des Therapieziels sein, die Patienten müssen motiviert sein und gleichzeitig technisch versiert genug um das Handling mit meiner Unterstützung zu meistern. Ich überzeuge oder überrede niemanden, Virtual Reality zu nutzen, die Patienten müssen darauf anspringen und Interesse zeigen.” Meistens habe sie vorher schon das Gespür dafür und schätze die Patienten richtig ein, erzählt sie.

Julia fragt dann die technischen Voraussetzungen ab und erkundigt sich nach dem vorhandenen Smartphone-Modell fragt ob eine stabile WLAN-Verbindung vorhanden ist und ob die Patienten dazu bereit sind, sich für etwa 40 Euro selbst eine VR-Brille zuzulegen. Wenn das alles der Fall ist schickt Julia ihnen eine Anleitung mit Checkliste zu. “Eine gute Vorbereitung ist sehr wichtig und wir klären alle Fragen vorab”, sagt sie. “Manche Patienten bereiten alles selbstständig vor und sind technisch super fit.” Sie starte dann mit den Patienten mit einem VR-Video zur Entspannung, um alles auszuprobieren und sicherzustellen, dass die Technik funktioniert. Wenn alles passt, geht Julia zur virtuellen Exposition über. “Die therapeutische Begleitung ist relativ nah an der in-vivo Exposition: Ich frage parallel die Angstintensität ab und lasse das VR-Video auch bei mir am Tablet ablaufen um nachzuvollziehen, was die Patienten gerade sehen”, so Julia.

Eine wichtige Voraussetzung, um Virtual Reality auf Distanz einzusetzen: der Patient sollte sich in einer Angstsituation selbst stabilisieren können – denn es könnte ja passieren, dass die Internetverbindung während der Sitzung abbricht. Für diesen Fall bekommen die Patienten Julias Mobilfunknummer. “Außerdem besprechen wir vorab, was dem Patienten zur Stabilisierung hilft wie zum Bespiel ein Igelball als Vorsichtsmaßnahme. Ich möchte sicher sein – eigentlich weiß ich, dass der Patient das nicht braucht, aber ein Notfallplan gibt Sicherheit für beide Seiten,” sagt Julia.

Ich frage Julia, welchen wesentlichen Vorteil ihr die VR-Brille in der täglichen Praxis bringt. “Die Patienten trauen sich die Konfrontation eher zu als in vivo. Sonst ist die Überzeugungsarbeit oft schwieriger und manche Patienten können sich nicht zur Konfrontation überwinden” berichtet sie. Wenn sie die Virtual Reality-Brille angeboten habe, habe sie bisher noch keine Absagen erlebt. Eine neue Technik berge Vorfreude und lenke die Patienten auch ein wenig ab: “Oft ist Angst vor der Angst ja stärker als alles andere”, sagt sie. Der Einstieg sei mit der VR-Brille leichter als direkt in vivo zu arbeiten. Über die Mediathek habe sie eine Vielzahl von Situationen zur Verfügung, auch solche die in der Realität nur mit viel Aufwand oder gar nicht herzustellen sind. Außerdem kann sie auch die Intensität auswählen – ob also zum Beispiel der Bahnsteig wenig frequentiert oder voller Menschen ist. “Damit kann ich den Schwierigkeitsgrad Schritt für Schritt steigern, was ja real gar nicht so machbar ist”, erzählt Julia. Ein Video könne sie im Notfall auch mal unterbrechen, was in der Realität nur zum Teil machbar ist. Die Arbeit mit der Mediathek spare auch viel Zeit, berichtet Julia: Vor einiger Zeit sei sie mit einem Patienten zur Mittagszeit Straßenbahn gefahren. “Wir haben auf viele Schüler gehofft, konnten aber einfach keine volle Straßenbahn finden – das war einfach schade um die kostbare Therapiezeit!”

In meiner Arbeit mit Therapeuten erlebe ich oft, dass viele ein wenig Scheu vor der Technik haben. Selbst wenn die Technik “sitzt” und alle praktischen Fragen ausgeräumt sind warten manche Therapeut:innen auf den optimalen Patienten und den perfekten Zeitpunkt. Julia hat mich in der Hinsicht besonders beeindruckt: sie hat einfach gemacht und losgelegt! “Ich bin da guten Mutes ran gegangen”, lacht sie. Natürlich sei sie auch ein bisschen aufgeregt gewesen beim ersten Mal. “Ich habe meinen Patienten einfach offen gesagt, dass ich den Einsatz von Virtual Reality gerade erlernt habe. Und nun gehen wir da gemeinsam ran und schauen wie es läuft,” so Julia weiter. Sie vertraue auch auf ihre therapeutische Erfahrung – wenn sie mal einen Fehler mache dann könne sie das auch vor dem Patienten sagen: “Ich bin da auch ein gutes Modell für meine Patienten. Es ist auch gut, wenn sie sehen: bei meiner Therapeutin klappt auch mal etwas nicht.”

“Ihr habt auch durch den Kurs so viel Mut gemacht und alles so gut erklärt. Bei Fragen war immer jemand da – das hat mir viel Sicherheit gegeben”, sagt Julia. Sie würde VR-interessierten Kollegen empfehlen, das kostenlose Einführungs-Webinar zu machen und wenn ihnen das zusagt am Kurs teilzunehmen. Julias Tipp: den Kurs so legen, dass man gerade Angstpatienten hat und direkt üben kann, um gleich Rückfragen zu stellen – dann hat man am meisten davon. Virtual Reality ist ein Werkzeug mit dem man vertraut werden muss. Und das funktioniert nur durch das Ausprobieren in der Praxis.

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