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VR in der Diagnostik

Präzise erkennen, gezielt behandeln


Diagnostik neu denken: Wie Virtual Reality psychotherapeutische Diagnostik präziser und menschlicher macht - Einblicke aus dem CME-Webinar von virtuallythere

Warum Diagnostik mehr ist als ein Fragebogen

Diagnostik ist das Fundament jeder wirksamen Psychotherapie. Sie entscheidet darüber, welche Interventionen gewählt werden, wie individuell Therapie gestaltet wird – und ob Patient:innen sich überhaupt verstanden fühlen. Doch gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, wachsender psychischer Belastungen und zunehmender Komplexität psychischer Störungen stoßen klassische diagnostische Methoden wie Interviews oder Fragebögen an ihre Grenzen. Symptome bleiben unscharf, Ursachen verdeckt. Die therapeutische Beziehung leidet – nicht selten ebenso wie die Motivation zur Veränderung.

Genau hier setzt Virtual Reality (VR) an: als lebendige, dynamische Ergänzung zur klassischen Diagnostik. Der Fachimpuls von virtuallythere hat gezeigt, wie VR dabei hilft, Symptome erlebbar zu machen, versteckte Ursachen zu identifizieren und Diagnosen präzise zu schärfen – wissenschaftlich fundiert, praxistauglich und menschlich zugewandt.

Virtual Reality in der Diagnostik – was sagt die Forschung?

Meta-Analysen zeigen: VR-Expositionen sind bei Angststörungen mindestens genauso wirksam wie klassische Konfrontationen in der Realität. Doch es geht längst nicht mehr nur um die Behandlung – auch in der Diagnostik überzeugt VR. Virtuelle Szenarien lösen echte emotionale, kognitive und physiologische Reaktionen aus. Patient:innen tauchen in realitätsnahe Situationen ein, die gezielt diagnostisch genutzt werden können.

Was bedeutet das konkret?

  • Standardisierte und kontrollierte Konfrontation mit belastenden Situationen – flexibel einsetzbar und individuell anpassbar
  • Multimodale Erfassung: Therapeut:innen beobachten nicht nur Verhalten, sondern auch Körpersprache, Stressreaktionen und Gedankeninhalte – direkt im Moment des Erlebens
  • Hypothesenprüfung in Echtzeit: Wo liegen die wahren Auslöser? Welche Reaktion zeigt die Exposition, welche das Gespräch? So werden Diagnosen treffsicherer
  • Mehr Motivation und Akzeptanz: Die immersive Erfahrung erhöht das Engagement – und oft auch das Vertrauen in die therapeutische Arbeit.

Diagnostik in Aktion – zwei Beispiele aus der Praxis


Fall 1: Wenn Auto fah​ren Angst macht

Eine Patientin litt unter starker Angst beim Autofahren. Doch erst die VR-Exposition brachte die eigentliche Ursache ans Licht: nicht das Autofahren selbst, sondern die Angst vor einer möglichen Unterzuckerung durch ihre Diabetes – und damit einhergehender Kontrollverlust. Die Therapie wurde angepasst und ein zugrunde liegendes traumatisches Erlebnis aufgearbeitet.

Fall 2: Flugangst mit Tiefgang

In einem anderen Fall zeigte eine Patientin in der VR-Simulation eines Fluges starke emotionale Reaktionen. Die Analyse offenbarte: Im Zentrum stand nicht die Flugangst selbst, sondern tiefere Themen wie Vertrauen und Selbstwert. Dank VR konnten diese Aspekte gezielt sichtbar gemacht und therapeutisch bearbeitet werden.

Stimmen aus der Praxis

„Es hat mich wirklich erstaunt, dass in Virtual Reality das Gefühl aufkam, von ‚Zuhause‘ entfernt zu sein. Mittlerweile setze ich die VR-Brille immer wieder ein, um spontan verschiedene Möglichkeiten abzuprüfen. So kann ich einfacher Diagnosen stellen.“

– Dr. Meike Tenbergen, Psychologische Psychotherapeutin

„Ich konnte der Patientin mit Hilfe von Virtual Reality das Problem wirklich emotional erlebbar machen. Auf das Thema Vertrauen wären wir sonst nicht so schnell und natürlich gekommen.“

– Mario Melcher, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Breites Anwendungsspektrum – von Phobien bis Sucht

  • Angststörungen: VR-Expositionen sind nicht nur effektiv, sondern laut S3-Leitlinie auch empfohlen.
  • Soziale Phobie: VRET erzielt vergleichbare Wirksamkeit wie reale Konfrontation – mit teils höherer Therapietreue.
  • Suchterkrankungen: In der Rückfallprävention werden Patient:innen gezielt mit Sucht-Auslösern konfrontiert, um Suchtdruck zu regulieren und neue Strategien einzuüben.
  • Traumafolgestörungen & Stress: VR ermöglicht kontrollierte Konfrontation mit belastenden Erinnerungen – bei gleichzeitigem Sicherheitsgefühl.

Chancen und ethische Verantwortung

VR macht die Diagnostik nicht nur objektiver, sondern auch partizipativ. Patient:innen erleben sich aktiv, reflektieren ihre Reaktionen und gewinnen an Selbstvertrauen. Gleichzeitig gilt: VR ersetzt keine klinische Expertise. Sie ist ein Werkzeug – und wie jedes Werkzeug will sie verantwortungsvoll eingesetzt werden. Technische Ausstattung, Datenschutz, körperliche Verträglichkeit und ethische Abwägungen gehören zur professionellen Anwendung dazu.

Fazit: Mehr als Technologie – ein menschlicher Fortschritt

Virtual Reality eröffnet der psychotherapeutischen Diagnostik neue Möglichkeiten. Sie kann Zugang zu schwer zugänglichen Themen erleichtern, verbessert die Kommunikation zwischen Therapeut:in und Patient:in und stärkt den Transfer in den Alltag. Vor allem aber: Sie eröffnet neue Wege, Menschen besser zu verstehen.

Hier finden Sie die Aufzeichnung des Fachimpulses und weiterführende Materialien:

👉 Download: Diagnostik unterstützen mit VR
👉 Download: S3 Leitlinie Angststörungen