Studienleitung: Dr. Simone Behrens (Universitätsklinikum Tübingen)
In Kooperation mit Lab E virtuallythere (Bereitstellung der VR-Plattform mit VR-Videos)
Einleitung / Hintergrund
Chronische Schmerzen und Fatigue sind häufige, belastende Symptome bei Patient*innen mit schweren Erkrankungen wie systemischer Sklerose oder Multiplem Myelom. Konventionelle Behandlungsstrategien fokussieren meist auf medikamentöse und physiotherapeutische Ansätze, während Entspannungsverfahren in der stationären Versorgung selten etabliert sind. In der Studie „VR-Relax“ wurde untersucht, ob immersive VR-360°-Videos als niedrigschwellige und selbstgesteuerte Entspannungsintervention im Klinikalltag wirksam, akzeptiert und technisch umsetzbar sind.
Studienaufbau
Die Studie wurde von der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen unter Leitung von Dr. Simone Behrens durchgeführt. Zwischen November 2023 und Juni 2024 nahmen 27 stationäre Patient*innen (12 mit systemischer Sklerose, 15 mit Multiplem Myelom) an einer fünftägigen Intervention mit 360°-VR-Videos teil. Die Videos wurden ad libitum mit einer VR-Pico-Brille über eine kuratierte Mediathek (virtuallytheremedia.com) genutzt. Erfasst wurden Akzeptanz, Nutzungsintensität, subjektives Wohlbefinden, Nebenwirkungen und Schmerzbewältigungsstrategien zu drei Zeitpunkten (T0, T1, T2).
Zentrale Ergebnisse
- Die Intervention war sehr gut umsetzbar: kaum technische Schwierigkeiten, hohe Teilnahmequote, geringe Abbruchrate.
- Proband*innen sahen im Mittel 4,6 Videos über fünf Tage (1–9 Videos).
- Akzeptanz war hoch: 77 % würden die VR-Brille weiterempfehlen.
- Nebenwirkungen waren gering (v. a. Übelkeit, Schwindel, vereinzelt Bildqualitätskritik).
- Stärkster Effekt zeigte sich in der kognitiven Funktion (EORTC QLQ-C30; p = 0.004).
- Weitere moderate Effekte bei Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit.
- Bei den Schmerzbewältigungsstrategien traten keine signifikanten Veränderungen auf – ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer längerfristigen, angeleiteten Nutzung.
Fazit
VR-basierte Entspannungsinterventionen sind eine machbare und akzeptierte Ergänzung zur stationären Therapie chronisch kranker Patient*innen. Für eine nachhaltige Wirksamkeit im Bereich Coping, Lebensqualität und Fatigue sollten künftige Studien eine intensivere, regelmäßig angeleitete Anwendung prüfen.
Literatur (Auswahl):
- Chirico et al. (2020), J Cell Physiol
- Diezemann (2011), Der Schmerz
- Riches et al. (2021), Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol
- Petzke et al. (2020), Deutscher Schmerzfragebogen